Reisebericht Madagaskar, 2. Teil

Am 15.4.2000 sind wir von Toliara weggefahren. Es liegen 600 km Piste vor uns. Am Anfang geht es ziemlich harzig, dafuer ist die Landschaft wunderschön. Die Strasse ist nicht einmal auf meiner Karte eingetragen - eine totale Nebenstrecke. Wir übernachten in einem kleinen Wald direkt an den sumpfigen Ufern des Onilahy. Die Nacht ist, wie man sich eine Nacht im Urwald vorstellt: drückend heiss, der Schlafsack klebt, der Schweiss rinnt auch im liegen. Geräusche von allen Seiten, Vögel, Insekten. Langsam wirds schon wieder hell, neue Geräusche, mal schauen - etwas mit langem Schwanz. Eine ganze Gruppe Kattas vergnügt sich in den Bäumen ringsum. Sie springen hin und her, wetzen hoch und runter, knabbern, rufen, putzen sich. Nach einer halben Stunde ist der Zauber vorbei. Zum Frühstück finden sich einige Zuschauer aus dem nahen Dorf ein, wir sind einmal mehr eine Attraktion.

Die Piste wird immer schlechter, nicht einmal 4x4 können hier fahren, zumindest eine Motorsäge für die Bäume, die im Weg liegen ist erforderlich. Mit dem Rad gehts einigermassen. Dafür wird das Wasser knapp. Der Tümpel, bei dem wir übernachten ist so trübe, dass der Filter schlapp macht. Der nächste Tag bringt uns endlich auf die Hauptroute. Thomas hat gleich mehrere Plattfüsse, einmal vorne, zwei hinten und das innerhalb von drei Kilometern. Die Piste wird tatsächlich besser, trotzdem falle ich ein paarmal hin, da mein Klickpedal nicht richtig auslöst. In Betioky finden wir dann ein Hotel mit Eimerdusche, die wir gerne benutzen.

Der Weg nach Ampanihy ist relativ gut zu fahren. Unterwegs treffen wir immer mehr Männer mit Speeren. Bei einem Dorf ist die grosse Party im gang. Wir werden von mehreren Dutzend farbig gekleideten Männern umringt. Alle mit Speer, einzelne haben ein Musikinstrument. Sie lassen sich gerne fotografieren. Abends campen wir in einem Gebüsch nahe der Strasse. Auf dem Holzkocher garen wir frische Erdnüsse - eine tolle Kalorienbombe. Die nächsten 80 km nach Ampanihy bewältigen wir an einem Tag. Die Piste macht mir immer mehr Spass, ich bin teilweise schneller unterwegs als Thomas auf seinem Mountainbike. An der Strasse stehen immer wieder Gräber, welche zu fotografieren aber heikel ist, da sie 'fady' sind, d.h. tabu.In Ampanihy bleiben wir zwei Nächte. Wieder mal waschen und regenerieren.

So langsam kommen wir ins Dornenland. Neben den überall anzutreffenden Opuntien, stehen viele Euphorbien (Wolfsmilchgewächse) und Didieracea rum. Auch Baobabs, wie die Affenbrotbäume hier heissen, gibt es einige. Diese sehen mit ihrem dicken Stamm und den wenigen Aesten sehr ulkig aus. Der Legende nach sollen sie sich über etwas beschwert haben, worauf Gott sie ausgerissen und verkehrt herum wieder eingesetzt hat.
Die nächst grössere Ortschaft Beloha will einfach nicht kommen. Volle 19 km später als nach der Karte zu erwarten kommt sie dann doch noch. Kein Wunder stellt sich ein paar Tage später raus, dass wir völlig wo anders sind. Nichts desdotrotz geniessen wir das Hotel und hören dort, es werde sandig nach etwa 20 km.

Der nächste Tag ist ziemlich aufregend. Nach etwa 25 km fährt Thomas eine der vielen Pistenvarianten deutlich schneller als ich, sodass ich ihn aus den Augen verliere. Normalerweise führen alle Wege wider zusammen, hier allerdings nicht. So bin ich plötzlich alleine unterwegs. Die Piste wird immer enger, eine Frau, die ich unterwegs antreffe lässt schreiend einen Eimer fallen und flüchtet vor dem ungewohnten Anblick. In einem Dorf finde ich raus, dass ich etwa drei km von der Route gekommen bin. Wieder auf der Piste stellt sich die Frage, ob ich jetzt vor oder hinter Thomas bin, ob er irgendwo wartet oder schnell fährt um mich einzuholen. So warte ich erstmal ein Weilchen, fahre dann weiter und frage immer mal wieder, ob hier noch ein weiterer Radler vorbeigekommen ist. Die Antworten sind unklar, ich vermute mal ich sei vorne und möchte im nächsten grösseren Ort auf ihn warten. Da wir aber wie gesagt auf einer ganz anderen Piste sind, taucht auch das Dorf nicht auf. Die Leute kennen nur Ambovombe, die nächste ganz grosse Ortschaft. So bin ich einigermassen irritiert und froh, als Thomas plötzlich zu sehen ist. Auch er hat die Piste verloren, aber relativ bald meine Spuren gesehen. So suchen wir einen Plätzchen zum übernachten. Den Abschluss dieses Ostersonntags bildet ein grandioser Sonnenuntergang mit Gewitter in grösserer Entfernung. Zu unserer Ueberraschung soll es nur noch 20 km bis Ambovombe sein, wir hatten mit über 70 gerechnet.

Diese sind dann allerdings hart zu fahren, da sehr sandig. So schieben wir einige Kilometer. In Ambovombe fängt die Teerstrasse wieder an. Es ist Markttag und entsprechen viel los. Hier zeigt sich einmal mehr der Unterschied zur Schweiz: Wenn der Parkplatz im Einkaufscenter mal mehrere Meter vom Eingang weg ist, kommt schon Aerger auf - in Madagaskar werden über 20 km zu Fuss zurückgelegt um an den Markt zu gelangen.
Wir fahren noch nach Amboasary weiter. Dort ist der Ausgangspunkt für zwei Privatreservate. Sie liegen am Fluss inmitten von Sisalplantagen. Zu sehen gibt es Kattas und Sifakas, zwei Lemurenarten. Die Tiere sind hier wesentlich zutraulicher um nicht zu sagen zudringlicher als in der Wildnis.Sie setzen sich sogar auf die Schultern in der Hoffnung auf ein Stück Banane. Am Nachmittag fahren wir noch ein kleines Stück und übernachten in einem Dornenwald. Wir kochen Reis mit Erdnüssen an einer Brokkolisauce aus dem Beutel.

Noch ein kleines Gebirge ist zu überqueren bevor Fort Dauphin unser Etappenziel erreicht ist. Die Vegetation wechselt innert weniger Kilometer auf tropisch. Alles ist wieder grün und üppig. Es ist auch deutlich feuchter hier. Fort Dauphin liegt sehr schön in einer Bucht und auf einer Halbinsel. Ansonsten ist deutlich weniger los als erwartet. Nicht mal ein vernünftiger Internetanschluss ist aufzutreiben. So verbringen wir die meiste Zeit mit der Organisation der Weiterreise. Da doch nicht soviele Busse fahren wie erwartet, müssen wir schon am nächsten Tag zurück - Thomas will seine Hochzeit vorbereiten. Ich überlege mehrere Optionen. Am Schluss entscheide ich mich für Antsirabe und Weiterfahrt nach Westen. Der Süden ist eindeutig der Höhepunkt bisher. Diese tolle Landschaft mit diesen total angepassten Pflanzen, welche zum grossen Teil ihre Blätter im Sommer verlieren, da Wasser knapp ist. Wasser ist auch für uns ein Dauerthema. Vielleicht erlebt man es mal in der Schweiz, dass auf einer Wanderung duschen nicht möglich ist einige Tage - hier stellte sich die Frage, ob das Wasser noch zum Kochen reicht. Mehrfach war abends noch zwei Liter im Kanister, Durst mindestens einen davon zu trinken und die Frage wann und wo neues aufzutreiben ist ungeklärt.

Die Busfahrt wird zur Tortur: kein Platz für die Beine, Schüttel - Rüttel, ein Riesenkrach aus dem Lautsprecher. Der Bus kommt häufig nur mit 10 bis 12 km/h voran. Aber alles nimmt ein Ende und 45 Stunden später verabschiede ich mich von Thomas. Es ist morgens um halb sieben. Ich fahre noch 20 km bis Betafo, wo ich ein Hotel finde. Dort schlafe ich erstmal eine Runde und erhole mich von der Busfahrt.

Die Strasse nach Miandrivazo ist in recht gutem Zustand. Es geht steil hoch und runter, so dass ich mehrfach schneller als 70 km/h auf dem Tacho habe. Nur leider ist der Belag genau in der Senke am schlechtesten,  da eine Brücke zu überqueren ist. So kann ich den Schwung häufig nicht mitnehmen. Die Landschaft ist wieder völlig anders. Fast nur Gras, kaum Bäume und tiefe Spuren der Erosion durchziehen das Land. Nur ganz wenig Anbaufläche hat die Brandrodung langerfristig gebracht. Die nächst grössere Ortschaft Mandoto erreiche ich schon gegen zwei Uhr. Kein Hotel, also fahre ich weiter. Ich übernachte irgendwo zwischen Steinen und geniesse einmal mehr den Sternenhimmel. Besonders die Milchstrasse zeigt sich in voller Pracht. Ich sehe auch mehrere Sternschnuppen, eine davon richtig hell - wohl eher ein Meteorit.
Es bleiben noch 75 steigungsintensive Kilometer bis Miandrivazo. Diese sind relativ schnell gefahren, da  Rückenwind herrscht und es mehrheitlich bergab geht.

Miandrivazo ist Ausgangspunkt für die Flussfahrt auf  dem Tsihiribina. Ich lasse mir eine viel zu teure Fahrt aufschwatzen. Einmal mehr bestätigt sich die einfache Regel: Es nützt nichts 20 mal die Bananen von 1500 auf 1200 FMG runterzuhandeln, wenn man nachher eine Million statt 600'000 FMG für drei Tage Flussfahrt bezahlt. Aber was solls, Geld ist bezahlt, ein wunderbarer Ausflug wartet auf mich. Das Fahrrad im Einbaum sieht etwas abenteuerlich aus - - kein Problem meint der Pirogier.

Der Fluss ist sehr breit und braun vom mitgeschleppten Sand. Am Ufer hat es etwas Schilf und einige Büsche oder Bäume. Die Fahrt verläuft in einem Zickzack, da der Fluss häufig nicht mehr als 30 cm tief ist. Ich sitze einfach da und geniesse die Ruhe. Selbst nach sieben Wochen Ferien ist immer noch Hektik vorhanden. Hier nicht - einfach dem leisen Plätschern lauschen, die Augen dem Ufer nach wandern lassen und sich über Eisvögel, Reiher und andere bunte Vögel freuen. Zu den Mahlzeiten legen wir an und Jean Chry kocht etwas Reis oder Nudeln. Ich esse soviel wie schon lange nicht mehr. Uebernachtet wird auf einer Sandbank. Dort treffe ich Victor und Sophie, auch mit Piroge unterwegs. Gross zu erzählen gibt es eigentlich nichts mehr, nur geniessen und nochmal geniessen. Am zweiten Tag wird der Fluss etwas enger und die Hänge sind bewaldet. Einige Lemuren sind zu sehen. Mit Krokodilen haben wir kein Glück, nur ein Skelett finden wir an einem Strand. Die zweite Nacht verbringen wir in einem Dorf. Es wird Musik gemacht und die Rumflasche macht die Runde. Noch eine Nacht auf der Sandbank und schon ist der Zauber wieder vorbei. Auf dem Ochsenkarren fahren wir ins nächst grössere Kaff. Eine harte Sache so ohne Federung. Auch die Arme sind beschäftigt, da immer wieder Dornengestrüpp auf Kopfhöhe hängt. Mit Taxi Brousse gehts weiter nach Morondava an der Westküste. Taxi Brousse ist ein kleiner Lastwagen mit möglichst vielen Menschen und Gepäck beladen. Die Fahrt dauert etwa sechs Stunden.

Morondava ist zihmlich teuer, da  hier viele Touristen halt machen. So bleibe ich nur kurz und fahre eine weitere 18 Stundenfahrt in die Hauptstadt zuruck, wo ich am 10. Mai eintreffe.


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