Die Hauptstadt kommt mir bei meinem zweiten Zusammentreffen ganz anders vor, als beim ersten Mal. Was vorher bedrohlich und ein grosser Moloch war, geniesse ich jetzt und schlendere durch den grössten Trubel in den engen Marktgassen. Auch nachts habe ich weder Angst noch ein ungutes Gefühl. Trotzdem hält mich nicht viel in der Hauptstadt. Ein Besuch bei PRIORI, ein Treffen mit Thomas und schon am 12. Mai sitze ich im Flugzeug nach Diego-Suarez. Im Flugzeug treffe ich Valérie, welche für Enfants du Monde in Mahajanga arbeitet. Sie hinterlässt ihre Adresse und meint ich solle doch vorbeischauen, wenn ich in Mahajanga bin.
In Diego habe ich als erstes einen Platten. Dieser ist schnell behoben und
so fahre ich richtung Stadt, wo ich nach wenigen Kilometern den nächsten
Plattfuss habe. Ein riesiger Dorn steckt im Mantel. So komme ich erst mit dem
Eindunkeln im Zentrum an, wo ich bald ein relativ teures Hotel finde. Hier scheint
überhaupt alles recht teuer und touristisch zu sein. Bei meinem abendlichen
Spaziergang spricht mich eine Madegassin an und will mit mir in die Disco gehen.
Da ich aber spätere Konsequenzen befürchte, lasse ich mich nicht auf
das Abenteuer ein.
Am nächsten Tag suche ich das Wahrzeichen der Stadt, den Zuckerhut, ein
Vulkankegel mitten in der Bucht von Diego. Da es aber mehrere Buchten sind und
der Berg vom Zentrum der Stadt aus nicht zu sehen ist, finde ich ihn nicht.
Dafür werde ich Zeuge von Hahnenkämpfen. Dies zu durchschauen ist
nicht einfach. Obwohl mindestens 20 Streithähne von ihren Besitzern mitgebracht
wurden, kommt es kaum zu einem Kampf, da die Vögel wohl schon vorher sehen,
wer der stärkere ist. Abends gehe ich noch in ein Lokal mit Livemusik.
Ich habe mir vorgenommen heute etwas mehr Mut aufzubringen - natürlich
werde ich nicht angebaggert.
Am nächsten Morgen fahre ich los richtung Süden. Ich habe gleich als erstes wieder einen Platten und weils so schön ist kommen am Schluss fünf Löcher zusammen. Seltsam, dass die immer gehäuft auftreten, obwohl sie zumindest in diesem Fall überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Es sind übrigens die letzten Platten für diese Ferien. In Anivorano mache ich Halt und nehme mir ein sehr einfaches Hotel. Die 35 km bis zum Ankarana Nationalpark sind schnell gefahren. Unterwegs liegen drei Safirdörfer dicht beieinander. Die Leute graben wie die Maulwürfe in der Erde und suchen nach den begehrten blauen Steinen. Ein etwa 15 jähriger fährt mit einem neuen Fahrrad ein Stück mit mir mit. Das Fahrrad konnte er sich mit einem drei Gramm schweren Safir kaufen, den er vor wenigen Tagen gefunden hatte. Die Glücksritter gehen auch in den Nationalpark, wo die Polizei täglich Kontrollen macht, allerdings ohne grossen Erfolg. Ein guter Fund bringt derart viel Geld ein, dass die Polizeirazzien in Kauf genommen werden.
Im Ankarana Reservat entschliesse ich mich für die grosse Tour, die ich mit Uebernachtung machen will. Dies empfielt mir ein Paar, welches gerade zurückkommt. So packe ich den Rucksack und los gehts mit dem obligatorischen Guide. Der Zeltplatz liegt etwa zehn Kilometer vom Eingang entfernt. Der Weg führt durch Urwald, meist sieht man nur wenige Meter, alles ist voller grün und braun. Schlingpflanzen und Luftwurzeln ranken und winden sich die Stämme empor. Bei einem herrlichen Baum, bei dem Wurzeln und Stamm weit oben ineinander übergehen und der auf kein Foto passt, machen wir Rast. Der Führer zeigt immer wieder Lemuren, Schlangen und Vögel. Ohne ihn hätte ich nicht einmal die Hälfte davon gesehen. Vom Zeltplatz geht es noch einen weiteren Kilometer bis zu den Tsingy. Das sind Sandsteinsäulen, welche 'tsing' machen, wenn man dranschlägt. Ich finde sie nicht so toll, aber der heilige grüne See tief in den Felsen ist recht eindrücklich. Zurück beim Zeltplatz kochen wir Reis und schon fängt langsam die Nacht an. Vom nahen Bach beginnen die Frösche das Konzert. Auch Zirpen ist zu vernehmen. Mit jedem bisschen Dunkelheit scheinen die Geräusche näher zu rücken und mehr zu werden. Vögel kommen dazu, Insekten und Rascheln im Laub. Die Augen können nur noch Schatten erkennen, als die ersten Lemuren auftauchen. Ich lege mich hin und lausche den Tönen. Wie bei einer Symphonie mischen sich bekannte Laute in immer neuen Variationen mit unbekannten. Ein Vogel tönt wie ein Pingpongball, der aus fünf cm Höhe ausspringt, anderer Gesang eher wie Lachen - vielleicht über den Rest Angst der bleibt bei Nacht an so einem Ort. Dann was bekanntes: Regen. Damit habe ich nicht gerechnet, mein Moskitonetz ist nicht wasserdicht. Aber bevor ich mir richtig Sorgen machen kann hört er auch schon wieder auf. Der Morgen ist weniger spektakulär. Wir packen bald zusammen und gehen die drei Stunden zurück. Noch einmal Lemuren und Vögel und schon ist dieser fantastische Ausflug zu Ende.
Ich radle die paar Kilometer nach Ambilombe einer recht grossen Stadt. Das Hotel macht einen guten Eindruck für 40'000 FMG, nur dumm habe ich nur noch 30'000 FMG in der Tasche. Aber hier soll es ja eine Bank geben. Diese ist auch schnell gefunden. Geld wechseln können sie allerdings nicht, Cheque eintauschen auch nicht und eine Mastercard haben sie auch noch nie gesehen. So stehe ich also da, reicher Vazaha und komm nicht an mein Geld. Nach etwas rumfragen finde ich endlich eine Inderin, welche meine französischen Franc tauscht. Am Nachmittag setze ich mich auf die Schwelle meines Hotelzimmers und werde bald von mehreren Kindern belagert. Erst als ich Erdnusspaste an meinem Bein habe und das erste Mädchen in meinem Zimmer steht wird es mir zuviel und ich verziehe mich nach drinnen.
An diesem 17. Mai mache ich mich schon um halb sieben auf den Weg. Am morgen
ist es schön kühl und auch sonst sehr angenehm zu fahren. Das Licht
ist anders, viele Ochsenkarren und Fahrräder sind unterwegs. So bin ich
gegen halb eins schon 100 km weiter an der Abzweigung nach Nosy Be. Ein Schiff
ist auch schnell gefunden und so tuckere ich zum Mallorca von Madagaskar. Das
hier alles viel teurer ist macht mir schon der Skipper klar, der mich um 10000
FMG betrügt. Mallorca ist allerdings schwer übertrieben, die Hauptstadt
Hell-Ville ist ziemlich runtergekommen, die Strassen voller Löcher. Am
nächsten Tag wechsle ich von der Hauptstadt nach Ambatoloaka, dem Hauptbadeort
der Insel. Das erste Hotel kostet 310'000 FMG, was nicht ganz meinem Budget
entspricht. Ich finde dann eine Absteige für 60'000 FMG, also 15 sFr. Ich
buche auch gleich einen Schnorcheltrip für den nächsten Tag. Am Nachmittag
steht noch die Ylang Ylang Destillerie auf dem Programm. Es gibt nicht viel
zu sehen, da gerade keine Erntezeit ist.
Die Schnorcheltour beginnt in Hell-Ville auf einem Katamaran. Er ist gut gefüllt
mit Pauschaltouristen aus Frankreich. Anfänglich fühle ich mich fehl
am Platz, mit der Zeit amüsiere ich mich aber gut und plaudere über
die so andere Art die Zeit auf Madagaskar zu verbringen. Der erste Halt ist
nicht zum Tauchen gedacht, sondern Touristenshow mit Gesang, Lemurenpark und
Souvenirverkäufen. Dann gehts nach Tany Kely dem Schnorchelparadies. Mit
meiner Ausrüstung hat es leider nicht geklappt und so muss ich mit einer
Tauchbrille und Schnorchel aber ohne Flossen ins Meer steigen. Dieses ist leicht
trüb von Plankton, trotzdem sind hunderte von Aquariumsfischen zu sehen.
Nach dem reichhaltigen Mittagsbuffet gehe ich noch eine Runde ins Meer und sehe
eine Schildkröte unter mir durchschweben. Ein wunderbarer Anblick. Die
Insel hat noch einen Leuchtturm und eine Kolonie Flughunde, welche nach kurzem
Spaziergang zu sehen sind. Der Neckermann-Trip hat schlussendlich sehr viel
Spass gemacht. Im Hotel treffe ich auf einen englischen Studenten, welcher auf
den Komoren und Seyschellen Vögel beobachtet und für einige Tage in
Madagaskar Ferien macht. Er ist froh mich zu treffen, da er in den letzten Monaten
keinen einzigen Backpacker getroffen hat - alles nur Pauschaltouristen oder
Einheimische. Ich freue mich endlich einmal englisch reden zu können, mein
Französisch ist halt schon etwas bescheiden, obwohl es in den Wochen hier
wesentlich besser geworden ist.
Den letzten Tag auf Nosy Be (Ausgesprochen Nossi Beh, heisst grosse Insel) sitze
ich grösstenteils mit einem schweizer Ehepaar zusammen, welches eine Bungalowanlage
betreibt. Er ist seit 15 Jahren immer wieder als Tourist in Madagaskar und total
Fan von diesem Land. So hat er sich entschlossen hier etwas aufzubauen. Dies
hat seine Perspektive sehr verschoben. Das Mora Mora (immer mit der Ruhe) nervt
in einer Ochsentour durch die Bürokratie halt schon ganz anders als wenn
der Bus zwei Stunden länger braucht. Auch permanent als Geldscheisser angesehen
zu werden ist sicher nicht angenehm. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie
den Schritt bereut haben, aber anders vorgestellt haben sie sich die Sache mit
Sicherheit. Seltsam für mich auch, dass sie kein Madagassisch sprechen
und zumindest ihr Französisch auch nicht besonders gut ist.
Abends schwatze ich noch mit einem Italiener Jahrgang 1917. Er beklagt sich
über die zunehmende Unordnung in Italien. Auf meine Frage was er dann ausgerechnet
in Madagaskar mache, welches er etwa sechs Monate pro Jahr besucht, meinte er,
dass sei etwas anderes, er sei Italiener und das Chaos hier interessiere ihn
nicht.
So fahre ich am 21.5. wieder aufs 'Festland' und dort nach Ambanja, dem letzten
Ort vor dem Pistenanfang.
Die Piste fängt recht freundlich an. Die vielen Steigungen sind asphaltiert,
die flachen Stücke von recht guter Qualität. Dies ändert am Nachmittag,
wo der Asphalt Schottersteinen weicht und die Landschaft von viel Grün,
Wald, Bananen und Ravenala (Baum der Reisenden) auf öde Erosionsschäden
wechselt. Uebernachten ist auch nicht so einfach. Erst suche ich ein Naturplätzchen,
dann will ich doch endlich in einem Dorf übernachten nach Gespräch
mit dem Dorfchef. Dörfer hat es aber keine, bzw. eine Siedlung ist mit
einem völlig unfreundlichen Zaun umgeben und die nächste ist schlicht
verlassen. So gehe ich doch wieder in die Büsche und koche dort Reis mit
Erdnüssen.
Nach den gestrigen 70 km sind es heute nur noch deren 47. Dies deutet schon
auf die Schwierigkeiten hin, die massiv zugenommen haben. Mein Hauptgegner heisst
Sand. Selten soviel, dass ich schieben muss, aber doch genug um viel Kraft zu
kosten. Unterwegs treffe ich zwei Mädchen mit frisch geernteten Orangen
und Zitronen. Ich bin gerade am Rasten und sie müssen an mir vorbei, getrauen
sich aber nicht richtig. Erst als ich ihnen einen Geldschein hinhalte und dafür
Früchte will, kommen sie näher und rennen nach getätigtem Handel
schnell ins Dorf. Kurz darauf treffen Schaulustige ein um den komischen Vazaha
mit seinem Fahrrad zu bestaunen. Schon um vier Uhr bin ich so kaput, dass ich
mir ein Nachtlager suche, welches ich in einem Mangowäldchen finde.
Wieder mal ein Zitat aus meinem Tagebuch: "Sand
ist eine vielfältige Sache. Liegt er am Strand freuen sich die meisten. Man
kann Glas und Computerchips draus bauen. Es gibt ihn weiss, gelblich, rot, rotbraun,
pink, sogar grün, grau und fast schwarz. Diese Farben sind zumindest hier auf
der Piste erhältlich. Sand gibts pulver- oder gar puderförmig, normal bis grobkörnig.
Jede Sorte fährt sich etwas anders. Wobei der Untergrund, die Festigkeit vom
Zusammenpressen und Feuchtigkeit die grössere Rolle spielen. Manchmal dämpft
er die Schläge von sehr hartem Untergrund und wird zum Freund, manchmal ist
er so tief, dass er zum Krafttraingspartner wird. Sind es nur drei bis maximal
zwölf Meter wird er zur Geschicklichkeitsübung, sind es mehr hilft meist nur
schieben."
Auch am nächsten Tag komme ich nicht über 50 km hinaus. Die Piste
ist wie oben erwähnt sandig in allen Varianten. Die dritte Nacht hintereinander
in der Natur bringt einen Tiefpunkt, da es sehr heiss ist, meine Moskitonetzkonstruktion
nicht funktioniert und ich deshalb mit Chemie dahintergehe, worauf alles stinkt.
So bin ich froh am nächsten Tag schon nach acht Kilometer auf Asphalt zu stossen (nach Karte hätten es 30 km sein müssen). Das Hotel in Antsohiny beziehe ich gegen mittag und mache mich erst mal ans Waschen. Der Markt gibt auch einiges her, meiner Erholung von den Strapazen steht also nichts im Wege. Nur das Restaurantangebot ist bescheiden, aber irgendwie wird man immer satt.
In Port Bergé steht das nächste Hotel. Die Stadt ist 122 km entfernt, eine Distanz die mich unterdessen nicht mehr schreckt solange der Belag aus Asphalt besteht. Ich fahre früh los, bin etwas überrascht, dass so viele Hügel im Weg stehen. Mittags habe ich 80 km geschafft. Ich packe mein Mättli aus und mache zwei Stunden Rast um die grösste Hitze zu vermeiden. In Port Bergé erfahre ich, dass die Strasse wieder schlechter wird. Dies ist auch tatsächlich der Fall. An sich zwar Teerbelag aber mit sovielen Löchern, dass auch mit dem Fahrrad keine Chance besteht auf dem Asphalt zu bleiben. So ist es ein dauerndes Beschleunigen und Abbremsen, was viel Kraft kostet. Unterwegs treffe ich eine Amerikanerin, welche in einem Dorf den Einheimischen ökologisches Denken beizubringen versucht. Eine schwierige Sache. Die Landschaft ist meist wunderschön mit viel waldigen Abschnitten oder Alleen und Ausblick in die grossen Flussebenen. Dafür hat es viel Verkehr der bei der staubigen Strasse recht unangenehm ist. Viel Verkehr heisst hier übrigens alle drei Minuten ein Auto statt sonst alle 10 Minuten. Dafür überhole ich zwei Mercedeslastwagen, ein besonderes Vergnügen. Auf schlechter Piste fahren die vollbeladen keine 10 km/h mehr.
Wieder ein Tag an dem ich richtig früh losradle. Ich habe nur 80 km vor mir, also pedale ich schön gemütlich und geniesse die Morgenstimmung. Mittags koche ich auf meinem Holzkocher und wundere mich einmal mehr mit wie wenig Holz das Süpplein gekocht ist. Am Nachmittag wird die Piste nochmals so richtig schlecht. Tiefe Furchen von den letzten Regenfällen durchziehen die 'Strasse'. Viele Ausweichrouten ziehen links und rechts an Hindernissen vorbei, wobei es schwierig abzuschätzen ist, welche Variante fürs Velo am besten geht. Todmüde komme ich in Ambondromany an, der Strassenkreuzung Diego - Tana - Mahajanga. Es hat nur ein Hotel, eine totale Bruchbude mit unverschämten Preisen.
Ab jetzt ist nur noch perfekte Strasse zu erwarten, ähnlich wie die R7 nach Toliara. Dies geniesse ich natürlich in vollen Zügen. Viele Mangobäume, Reisfelder, Bananenstauden und manchmal Wald säumen den Weg. Am Rand von einem Naturschutzreservat mache ich Rast, lausche den Vögeln und mache ein ausgedehntes Mittagsschläfchen. Mein vorgesehener Uebernachtungsort taugt nichts, so fahre ich auf einer Nebenstrasse nach Marovoay (Wo es viele Krokodile gibt). Es ist eine rege Tätigkeit in den Strassen. Später finde ich herraus, das der Premierminister für den morgigen Tag angekündet ist. Also schnell alle Parkbänke weiss malen, die Staubstrassen mit Wasser bespritzen und das Rathaus herausputzen. Das Hotel ist das beste für diesen Preis. 25000 FMG, also gut 6 Fr. für acht mal zehn meter Zimmer, Ventilator, fliessend warm (!) und kalt Wasser und schön im Zentrum gelegen. Ueberhaupt gefällt es mir hier. Die Hafenatmosphäre an dem fast ausgetrockneten Flussarm, die Geschäftigkeit in den Strassen, irgendwie alles hier ist schön für mich. Nur Essen muss ich mir selber machen, da kein Restaurant mit Vegifood zu finden ist. Eigentlich habe ich gehofft hier ein Boot zu finden, dass mich nach Mahajanga bringt - gibts leider nicht.
Das letzte Stück nach Mahajanga geht nochmal kräftig in die Beine,
die Hügel sind höher als vermutet. Dafür bekommt man nochmal
eine Aussicht in weite ferne geboten. Die 94 km in die Hafenstadt habe ich um
halb vier hinter mich gebracht. Das Hotel ist gut, liegt aber etwas abseits.
Der erste Eindruck der Stadt ist sehr positiv. Grosszügig gebaut, nicht
zuviel Verkehr aber doch belebt, wenig Touristen. Auch hier gibt es Pousse Pousse,
allerdings nicht so viele und so aufdringliche wie in Antsirabe. Ich lasse mich
zu Enfants du Monde ziehen und komme über einen Umweg zu Ecoles du Monde
ins Büro von Valérie. Sie ist allerdings nicht da, ich treffe sie
erst am folgenden Morgen. Sie ist ziemlich im Stress, freut sich aber mich
zu sehen und schlägt ein Mittagessen am nächsten Tag vor. Ich besichtige
noch den uralten Baobab und den Hafen von Mahajanga. Beides Orte zum Verweilen
und Geniessen. Am 1. Juni möchte ich wieder mal Geld wechseln, geht leider
nicht, da Auffahrt ist.
Immerhin haben die Restaurants offen, in unserem Fall ein chinesisches, wobei
höchstens ein drittel der Speisen wirklich chinesisch sind. Wir unterhalten
uns gut (mein Franz macht sich langsam nach 10 Wochen). Valérie lädt
mich ein bei ihr zu wohnen. Ich nehme das Angebot gerne an, packe meine sieben
Sachen und radle abends mit ihr vom Büro in die Villa. Das Haus liegt in
einem Quartier, welches mit Schranke und Nachtwächtern gesichert ist. Es
hat fünf Zimmer und eine grosse Veranda mit Garten. Da Angestellte 'nichts'
kosten, gehört ein Gärtner und eine Haushaltshilfe welche putzt und
kocht mit dazu. Tönt jetzt nach masslosem Luxus - wenn man allerdings sieht
wie stark sich Valérie hier engagiert und was für Kämpfe sie
mit der Bürokratie und ihren Angestellten hat, gönnt man ihr die Ruhe
zuhause.
Am Freitag muss ich definitiv zur Bank. Ich komme schon nach kurzer Wartezeit
dran, die Chequewechslerei dauert auch so noch lange genug. Plötzlich wird
mir schwindlig, ich setze mich hin, fange an zu schwitzen und brauche dringend
ein WC. Das geht dann ein Weilchen. Ich schaffe es aber noch rechtzeitig die
Flüssigkeit im Darm loszuwerden. Ich schwitze noch mehr als vorher, fühle
mich fiebrig, dafür ist der Schwindel weg. Also Geld beziehen und möglichst
schnell zurück in Rennweite von einem WC. Eigentlich wollte ich samstags
Valérie auf einem Ausflug begleiten. Nach soviel Toilettenbesuchen den
Rest vom Freitag und die ganze Nacht erübrigt sich diese Idee. Mein Gewicht
hat sich von 59 kg auf 54 kg reduziert. 59 kg (normal sind etwa 66 kg) ist etwa
das Gewicht, dass ich auch nach der langen Fahrradtour in Schweden hatte. Ich
hoffe wenigstens sonntags wieder fit genug für ein Konzert zu sein. Dies
ist tatsächlich der Fall. Zu dritt besuchen wir ein Konzert von Rossy,
einem in Madagaskar sehr populären Musiker. Erst kommen im fünfminuten
Rhythmus lokale Bands auf die Bühne, wobei eine bunte Mischung aus Hip
Hop, Rap, Pop, einheimischer Musik, Hard Rock und weiteren Stilen geboten wird.
Der Hauptact fängt recht verhalten an. Viele Leute sitzen, kaum jemand
bewegt sich zur Musik. Erst nach etwa einer Stunde ist die Stimmung auf dem
Höhepunkt und überall wird geklatscht und getanzt. Auf der Bühne
sind auch TänzerInnen, links und rechts hat es je eine Leinwand, welche
von hinten bestrahlt wird und Schattentheater ermöglicht. Die Musik ist
eine Mischung aus traditionellen und modernen Elementen. Zugabe scheinen sie
hier auch nicht zu kennen - ich bin gar nicht so unglücklich darüber
mit meinen matten Gedärmen.
Ich bleibe noch bis am 7. Juni in Mahajanga, geniesse die Wohnung von Valérie
mit den gekochten Mahlzeiten, die ich übrigens gut vertrage. Zurückfahren
in die Hauptstadt ist mit der Bakteriensammlung nicht möglich, selbst für
die Taxibe-Fahrt muss man einigermassen fit sein. Diese ist dann reichlich mit
Adrenalin gespickt. Der Chauffeur liefert sich während der ganzen Fahrt
ein Wettrennen mit den anderen Taxis. Eines hat eine Panne und alle warten mindestens
eine Stunde bis alle Versuche zu reparieren gescheitert sind. Und weiter geht
es mit maximaler Geschwindigkeit, knappen Ueberholmanövern und geschnittenen
Kurven.
In Antananarivo schnappe ich mir gleich wieder das Anjaryhotel, welches zentral
liegt dafür die preiswerten Zimmer im fünften Stockwerk ohne Lift
hat. Heizung hat das Hotel natürlich auch keine, bei 10 Grad in der Nacht
und vom heissen Mahajanga kommend eine frostige Sache.
Die letzten fünf Tage in Madagaskar verbringe ich mit dem Kauf von Souvenirs
und Besuchen bei Thomas und Dina und bei PRIORI. Manchmal muss ich richtig lachen,
wenn Souvenirs die ich andernorts für 2'500 FMG bekommen habe einen Anfangspreis
von 40'000 FMG haben. Wobei gerade vor meinem Hotel sehr erfolgreich total überteuert
verkauft wird. Eine mehrtägige Angelegenheit wird der Erwerb eines Djembés.
Anschliessend brauche ich natürlich gleich ein paar Lektionen, woher soll
ich wissen wie man die Trommel richtig spielt. Also treffe ich mich mit einem
Künstler im Park und er zeigt mir umringt von Schaulustigen, welche alle
auch wissen wie man richtig schlägt, die ersten Schritte. Anfang Reise
hätte ich das vermutlich nicht mitgemacht, aber nach drei Monaten angelacht
und ausgelacht werden ist so eine kleine Show auf der Parkbank für alle
Beteiligten ein bleibendes Erlebnis. Die vielen Souvenirs zu verpacken und insgesamt
das Gewicht von 30 kg nicht zu überschreiten beschäftigt mich die
letzten zwei Tage.
Am Flughafen ist dann alles ganz einfach. Einchecken - 5 Minuten, Passkontrolle
- 60 Minuten. Ist ja egal ob man in der Abflughalle auf den Flieger wartet oder
am Schalter die gewissenhafte überprüfung sämtlicher Eintragungen
im Pass und allen zugehörigen Deklarationen über sich ergehen lässt.
Der Flug selber ist angenehm, genügend Beinfreiheit, guter Service. Erst
in Paris gibt es ein paar Verzögerungen und so komme ich etwa eine Dreiviertelstunde
später in Zürich an. Meine Trommel hat den Weg noch nicht gefunden,
eine weitere Verzögerung.
Kaum richtig zuhause fühle ich mich müde und etwas unwohl. Am nächsten Tag bin ich total schlapp, schleppe mich von Bett zu Sofa und habe für nichts Energie. Dieser Zustand hält einige Zeit an. Die Tropenärztin meint ich habe Amöben, bakterielle Infektionen und ein Wurm könnte auch noch im Spiel sein. Isabella und Jacqueline päppeln mich wieder auf und mit der chemischen Keule rücke ich meinen unerwünschten Gästen im Darm auf den Pelz. Heute, drei Wochen später bin ich in der Lage am normalen sozialen Leben teilzunehmen - grössere Anstrengungen wie Badminton spielen sind aber noch nicht möglich.
Dass jetzt eine längere Krankheit am Schluss steht scheint das Bild der tollen Ferien doch stark zu trüben. Sicher, die Amöben haben mir zugesetzt, aber dir Reise ist so ein starkes, positives Erlebnis, dass die Krankheit und andere sogenannt negativen Erlebnisse nur den Kontrast zu den Highlights verstärken. Ich bin all den Kräften, Zufällen und Konstellationen - nennen wir es doch einfach Gott - zutiefst dankbar, dass ich diese drei Monate in Madagaskar erleben konnte und die Insel mit ihren lachenden Gesichtern für immer ein Teil von mir sein wird.
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